buuuh
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05
November
2008
Ein rotes, ein gelbes, zwei weisse, ein oranges Bärchen

Sie sind Troubador!

Ah, wunderbar! Dass Sie hier sind! Wie schön, dass es überhaupt noch jemanden gibt wie Sie! Ein Genie des Minnesangs! Der Tradition der Troubadore! In Ihnen ist nicht nur die Leidenschaft zu Hause, sondern auch Poesie! Das ist romantisch, verehrungswürdig, staunenswert - und auch ein bisschen tragisch. Aber nur ein ganz kleines bisschen. Sie erinnern sich doch an Ihre intensivste Inkarnation? Damals, als Sie immer unten an der Burgmauer standen, unterm Balkon jener Schönheit, die Sie verehrten? Was hatten Sie damals dabei? Helfen Sie uns: Ihre Harfe oder Ihre Leier oder Ihr Gummitwist-Band? Jedenfalls haben Sie hübsche kleine Melodien gezupft, und dann haben Sie Ihre wohl tönende Stimme dazu erhoben, um der Schönheit da oben zu gefallen. Mit eigenen Kompositionen und eigenen Versen. Und wenn Sie lange genug gesungen hatten, trat die Schönheit auch mal auf den Balkon und winkte oder warf eine Blume herab. Es sei denn, die griesgrämige Mutter trat heraus und leerte einen Kübel voller - nun ja, schweigen wir davon. Die Mutter war nicht besonders musikalisch. Sie erinnern sich? Nun, Sie brauchen Ihr Gedächtnis nicht anzustrengen. Drehen Sie es nicht um Jahrhunderte zurück. Sondern um ein paar Jahre. Im Grunde reichen ein Monat oder Wochen. Denn es ist immer noch so. Sie stehen unterm Balkon, Sie schicken all Ihre Liebe nach oben, und manchmal kleckert von oben was runter. Das ist das Tragische an dieser Kombination. Sie kommen eigentlich nicht zusammen. Sie und Ihre grosse Liebe. Sie bleiben in verehrender Distanz. Und inzwischen haben Sie sich auch damit arrangiert. Eigentlich finden Sie das sogar schön. Wer von ferne verehrt, braucht seine grosse Liebe schliesslich nicht dem Test des Alltags auszusetzen. Vor allem muss er sich selbst nicht testen lassen! Diese zwei weissen Bärchen hier, die Bärchen der wolkigen Illusion, die sagen das über Sie. Sie haben obendrein das rote Bärchen der Liebe, das orange der Kreativität und das gelbe Bärchen der liebenden Tätigkeit, des Glanzes - es ist alles beisammen, was Sie benötigen zum Glücklichsein. Und dieser leise Schmerz der ewigen Distanz, der gehört inzwischen dazu. Der hat eine Süsse, die Sie gar nicht mehr missen mögen. Wozu sollen Sie zusammenkommen? Sie halten sich an das berühmte Wort von Sophia Loren: "Mein Mann und ich waren zwanzig Jahre lang glücklich. Bis wir einander trafen." Also, wenn Sie weiter die Menschheit erfreuen und Kunstwerke aus Liebe erschaffen wollen, dann bleiben Sie so. Wenn Sie dagegen den Schmerz Ihrer grosse Liebe durch die Ehe heilen lassen wollen, oder wenn Sie das schon getan haben, dann schweigen Sie. Dann singen Sie besser nicht mehr. Denn dann sind Sie keine Troubadora mehr und kein Troubador, dann sind Sie nur noch ein Troubadix, den man knebeln und fesseln muss, damit er das Fest nicht stört. Na, was sind Sie? Wen verehren Sie? Wem gilt Ihr Gesang? Wer soll auf den Balkon treten? Jetzt?

Orakel vom Mittwoch, 5. November 2008, 19:54 Uhr





prost, Mittwoch, 5. November 2008, 21:00
Ich kenne die Antwort!

Aber ich schweige! :-)